Beim Check-In im letzten Modul der Meisterklasse kam die Diskussion darüber auf, was wir da eigentlich lernen. Mehrere MeisterschülerInnen berichteten, dass es ihnen gar nicht so leicht fällt, in Worte zu fassen, was wir da erarbeiten. Das ist sicher ein gängiges Phänomen bei einer ganz neuen Ausbildung, für die es noch nichts Vergleichbares gibt und die noch nicht jeder kennt.
Wir haben es dann versucht zu beschreiben. "Die Chefs sind gewohnt zu fragen: was haben Sie an Input aufgenommen, was davon werden Sie bis wann konkret umsetzen und welche Ergebnisse werden Sie damit erzielen?" Tja, es fällt schwer, das Gelernte in diese alten Schemata zu pressen."Was ich berichten kann ist, dass ich ganz anders zuhöre, dass ich mein Gegenüber anders wahrnehme und in einem anderen Kontext nach Lösungen suche." Aber wie erkläre ich das meinem Vorgesetzten? Wenn der diese Erfahrung noch nicht gemacht hat?
Im letzten Modul haben wir besprochen, wie hierarchische Strukturen unser Denken und Handeln prägen und wie schwer es ist, eine Firma ohne klassische Hierarchie auch nur zu "denken". Dass es in Zukunft nicht mehr die/den "ChefIn" geben kann, der/die alles alleine überblickt, entscheidet, verantwortet, führt, leitet, managt, weil damit jede(r) überfordert ist und die Reaktionsgeschwindigkeit viel zu langsam ist, wenn überhaupt eine Entscheidung getroffen und zurückgespielt wird.
Das hat einer Meisterschülerin einen neuen Blick auf ihre aktuelle Situation eröffnet: "Mir ist kurzfristig eine komplette Hierarchie-Ebene verloren gegangen, weil zeitgleich alle Führungskräfte nicht mehr zur Verfügung standen. Früher wäre ich in Panik geraten, da der Markt keinen schnellen Ersatz hergibt. Heute habe ich mich daran gemacht, Aufgaben und Rollen zu definieren: Ich habe den Teams den Auftrag gegeben, sich miteinander darauf zu verständigen, wer was übernehmen will. Als ich das intern den anderen Abteilungen kommuniziert habe, gab es Reaktionen von: "Ich könnte mir vorstellen, dass mir das Arbeiten so auch endlich wieder Spaß macht" bis "Ich spreche mich doch nicht mit der Auszubildenden ab, nur weil das Team die dafür gewählt hat." (Führungskraft aus einer anderen Abteilung).
Ein anderer Meisterschüler hat davon berichtet, welche tiefen Einsichten und Erkenntnisse er für die Organisation seines Unternehmens gewinnt und stößt auf Interesse, aber auch Erstaunen: "Und wofür brauchen Sie das konkret?"
Damit scheint umrissen zu sein, was in Deutschland an so vielen Stellen fehlt: ein Verständnis davon, was gute Führung überhaupt bedeutet. Und warum man Zeit braucht, um das zu lernen, zu verstehen und zu verinnerlichen, was man in sporadischen 2 bis 3-Tage-Seminaren eben nicht gut lernen kann.
In der Meisterklasse lernen wir auf verschiedenen, mit einander agierenden Ebenen:
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wir erfahren, warum die altbewährten Management-Methoden nicht mehr greifen und wie das zu den heute oft beobachteten verzweifelten Kontrollversuchen
führt
- wir erfahren, wie in Organisationen in Zukunft aussehen werden müssen, um für talentierte Mitarbeiter attraktiv zu sein: vernetzt, auf Augenhöhe, selbstorganisiert, auf Vertrauensbasis, mit guter gemeinsamer Wertebasis, mit Sinn, sozial, ethisch, ökologisch, nicht nur auf Wachstum und Wettbewerb ausgerichtet
- und warum deshalb die heutige Fixierung auf Zahlen den Blick auf die komplexe Realität verstellt
- wir lernen, wie wir unsere persönlichen Wahrnehmungen/ Gefühle in bestimmten Situationen heranziehen können, um echt und authentisch zu bleiben und damit wirkungsvoll in der Führung werden
- wir lernen zu erkennen, dass die unterschiedlichen Ziele innerhalb eines Unternehmens, die sich widersprechen dazu führen, dass wir oft "Theater spielen" müssen. Zum Beispiel: auf der einen Seite wird Kooperation und Teamgeist gefordert, also der Abbau von Ressortdenken, auf der anderen Seite gibt es Boni für Einzelleistungen, die nicht erreichbar sind, wenn man nicht eisern die Interessen der eigenen Ab-Teilung gegen die der anderen Ab-Teilungen verfolgt
- wir lernen anhand von Teamübungen/ Visualisierungen aus dem Change Management, was das mit uns in unserer eigenen Ausbildungsgruppe macht: wir haben eine Vertrauensbasis erreicht, auf der man auch "Unangenehmes" miteinander offen besprechen kann, wie etwa unterschiedliche Interessen, unterschiedliche Bewertungen, unterschiedliche Wahrnehmungen, unterschiedliche Bedürfnisse, wir reden miteinander und nicht übereinander
- wir lernen das auszuhalten, dass es nicht sofort für alles eine "Basta-Lösung" geben muss, sondern dass in einem Spannungsfeld ganz Neues entstehen kann. Das setzt voraus, dass jeder bei sich wahrnehmen kann, warum ihm was unangenehm ist und was das idR mit den eigenen, persönlichen Erfahrungen und Themen zu tun hat. Denn erst, wenn man die eigenen subjektiven Reaktionen zuordnen kann und nicht ungebremst, weil unterschwellig in die Diskussion bringt, gibt es eine echte "Sachdiskussion". Weil die Beziehungsebene einen Kanal für sich hat und nicht in die Sachebene hineinfunkt. Ironischerweise ist das genau das, was üblicherweise (hochemotional) eingefordert wird: "Zurück zur Sache, meine Damen und Herren". Wenn das nur meint, "Tun Sie so, als hätten Sie keine Emotionen!", führt das zu den oft beobachteten karikaturesken Szenen, in denen Herr Müller so tut, als sei er nicht stinksauer und Frau Meier als sei sie nicht enttäuscht und Herr Schmidt, als sei er nicht beleidigt..., obwohl ihnen das buchstäblich ins Gesicht geschrieben steht...und alle spielen notgedrungen mit und hoffen, dass es bald zuende ist. Das so "erzwungene" Sachergebnis ist meist nicht belastbar, wenn es überhaupt zustande kommt.
- wir lernen, bei uns zu bleiben, Verantwortung für den eigenen Beitrag zu übernehmen und so eine valide Lösung oder Entscheidung zu erreichen
Das ist nicht immer leicht angesichts der fundamentalen Veränderungen, die uns die Digitale Transformation ins Haus bringt:
- die künstliche Intelligenz, die nun wirklich menschlicher Intelligenz etwas entgegen setzen kann, seit Roboter das Lernen gelernt haben
- der Wegfall vieler Arbeitsplätze, an denen körperlich gearbeitet wird, eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit, geschätzt auf 15 Stunden pro Woche: was macht das mit uns, unseren Familien, unserer Gemeinde, unserer Gesellschaft?
- was ist mit der Art und Weise, wie Karrieren bisher gestaltet waren: hart arbeiten, auf vieles (im privaten Bereich) verzichten, sich an die Regeln halten, die richtigen Leute kennen und dafür Prestige, Macht, hohes Einkommen im Gegenzug als Belohnung? Was ist mit meinem persönlichen Einsatz und meinem Verzicht, wenn Menschen in Zukunft in Führungsrollen gewählt und abgewählt werden? Wie schätzen meine KollegInnen mich persönlich ein? Und meine Fähigkeiten, sie in einem Projekt zu leiten? Was ist, wenn ich nicht mehr automatisch die Macht habe und mehr verdiene, weil "Chef" auf meiner Visitenkarte steht? Was unterscheidet die Art und Weise, die Chefs bisher erfolgreich gemacht hat von der, die in Zukunft von den KollegInnen geschätzt wird? Und was brauche ich dafür?
Die Meisterschülerinnen und -schüler lernen wahrzunehmen, wenn sie innerlich in Stress kommen. Bei einer Teamübung, die eine wiederkehrende Situation aus dem Führungsalltag inszenierte, meldete ein Teilnehmer (sehr erfolgreiche, langjährige, hochrangige Führungskraft): "Ich kriege ganz schwitzige Hände in dieser Situation, am liebsten würde ich das hier jetzt ganz schnell beenden. Es fällt mir schwer, das auszuhalten." Nach landläufiger Meinung eine Äußerung, die absolut nicht opportun ist in einer Welt, wo es darum geht, jedem und ständig zu beweisen, wie stark man ist und wie gut man alles im Griff hat.
In der Meisterklasse ist genau das erwünscht: Emotionen auf die Tonspur! Mitkriegen, was in mir los ist und dafür Verantwortung übernehmen. In dem Moment, wo ich das in Worte fassen kann, habe ich auch den Moment Reaktionszeit zur Verfügung, um zu wählen, ob ich mich so verhalte wie immer oder ob ich diesmal nicht sofort in den Angriffs- oder Verteidigungsmodus schalte und stattdessen aushalte, was mich so in Spannung versetzt und meinem Gegenüber die Chance gebe, mich mit seinem Beitrag weiter zu bringen oder mir klarer über das zu werden, was mich so enerviert. Ein Teilnehmer sagte: "Allein, dass ich mir klarer darüber geworden bin, was mich gerade bewegt und das benennen kann, allein dafür hat sich die Teilnahme schon gelohnt. Denn das macht mir das Leben erheblich leichter - im Job und auch privat."
Um diesen Lerneffekt zu erreichen, verflechten wir drei Stränge miteinander:
- wertschätzende Haltung und Gesprächsführungs-Methoden aus dem systemischen Business Coaching sowie Visualisierung und Teamreflektionen aus dem systemischen Change Management,
- die Systemtheorie als anspruchsvollen wissenschaftlichen Hintergrund für die benötigten Ansätze in einer dynamischen und komplexen VUCA-Welt, anschaulich gemacht mit Beispielen von Unternehmen, die sich bereits in der Praxis mit New Work auseinander setzen
- die persönliche Entwicklung für die Führungsrolle in der Zukunft